Die EM im eigenen Land, aber wer soll spielen?
2014 wurde Deutschland Weltmeister. In den letzten großen Turnieren ist von dieser Leistung nicht mehr viel zu sehen. Bei der EM im eigenen Land soll nun alles anders laufen. Doch wer soll die Kehrtwende einleiten?
Das Gehirn der Mannschaft
Dülmen. Mit Julian Nagelsmann, Sandro Wagner und Hannes Wolf ist schon einmal ein neues Trainerteam gefunden. Nagelsmann stellte in den Freundschaftsspielen in Amerika unter Beweis, dass er eine Gewinnermannschaft auf´s Feld bringen kann. Allerdings war die Testspiel-Phase nicht nur von Erfolg geprägt – Aber, wer kommt den nun auf´s Feld?
Debütanten in der Verteidigung, eine sichere Nummer?
Den Kasten soll laut einigen Leaks wohl wieder Manuel Neuer frei halten. Doch schon in der Verteidigung gibt es viel Diskussionspotenzial. Mit Waldemar Anton (VFB), Antonio Rüdiger, Jonathan Tah, Mats Hummels und Nico Schlotterbeck stehen dem Bundestrainer einige Optionen für die Innenverteidigung offen. Tah spielt aktuell eine historisch gute Saison mit Bayer Leverkusen und glänzt mit durchweg soliden Leistungen. Ähnliches kann von Waldemar Anton behauptet werden, jedoch konnte er noch nicht beweisen, dass es auch in der Nationalmannschaft funktioniert. Das ist auch schon das Stichwort für Antonio Rüdiger – Auf Vereinsebene zeigt er seine Klasse, allerdings ist er in der Nationalmannschaft eher wackelig. Mit Hummels käme Ruhe ins Aufbauspiel der Deutschen, aber eben auch die Kehrseite – fehlende Geschwindigkeit. Enormes Talent ist bei Nico Schlotterbeck immer wieder zu erkennen, trotz dessen ist seine Beteiligung in der Nationalmannschaft fraglich, da bei ihm keinesfalls von Konstanz geredet werden kann. Für die Außenverteidigung stehen zum einen die klassischen Verteidiger für eine Viererkette David Raum, Maximilian Mittelstädt (VFB Stuttgart), Jan-Niklas Beste (Heidenheim) und Benjamin Henrichs bereit. Zum anderen kann Nagelsmann auf den umfunktionierten Joshua Kimmich zurückgreifen, bei dem schon feststeht, dass er nur als Rechtsverteidiger auflaufen wird und je nach System auch auf Robin Gosens, welcher mit seinen offensiven Akzenten am besten als linker Schienenspieler in einer Fünferkette aufgehoben ist.
Neben Kroos, Abräumer oder Kreativspieler?
Im Mittelfeld kündigte Toni Kroos sein Comeback an. Mit dem Comeback einer der wohl renommiertesten deutschen Spieler aller Zeiten ist vermutlich eine Stammplatz-Garantie inbegriffen. Geht man von einem 4-2-3-1 aus braucht es noch einen zweiten Sechser neben Kroos. Da stellt sich die Frage, ob auf einen zweiten spielerischen Sechser oder eher auf einen Spieler mit Abräumer-Qualitäten gesetzt werden sollte, damit Kroos´ Kreativität freien Lauf gelassen wird. Kreativspieler könnten der aufblühende Aleksandar Pavlovic vom FC Bayern oder auch der aktuelle Kapitän Ilkay Gündogan sein. Falls sich Nagelsmann eher für einen Abräumer entscheiden sollte, finden sich in Robert Andrich, Anton Stach (TSG Hoffenheim), Emre Can und in Teilen auch in Leon Goretzka und Pascal Groß kompetente Teamplayer. Besonders Robert Andrich zeigt in der aktuellen Saison wie sich ein Abräumer neben einem spielerischen Sechser also in seinem Fall neben Granit Xhaka zu verhalten hat.
Youngstars, die offensiven Leistungsträger
In der Offensiv-Abteilung des Mittelfeldes bleiben nun noch der Zehner und die Flügelspieler. Für die Rolle des Zehners hat sich Florian Wirtz durch seine starken Leistungen bei Bayer Leverkusen in den Fokus vieler Fußballfans gespielt. Auch Jamal Musiala blüht seit dem Jahreswechsel wieder in alter Manier auf. Viele erhoffen sich, dass die beiden Juwelen des deutschen Fußballs durch starke Einzel-Aktionen frischen Wind in die Offensiv-Reihen bringen können. Sowohl Musiala als auch Wirtz könnten auch auf einer variablen Halbposition zwischen Zehner und inversen Flügelspieler spielen. Für die Außenpositionen kommen neben den beiden schon genannten Spielern Leroy Sané, Chris Führich (VFB Stuttgart) und Julian Brandt infrage. Führich hat wie Teamkollege Anton mit seinen bisherigen Spielen für den VFB gezeigt, dass er potentiell das Zeug zum Nationalspieler hat und will sich nun auch in der Nationalmannschaft beweisen. Sané steht aufgrund seiner teils lustlos aussehenden Haltung auf dem Platz in der Kritik, aber hat sowohl bei seinen verschiedenen Vereinsstationen als auch in der Nationalmannschaft bewiesen, dass er der Unterschiedsspieler sein kann. Brandt bringt starke technische Fertigkeiten mit und spielt aktuell eine solide Saison und zeigte zum Beispiel bei der Weltmeisterschaft in Russland wie gut er als Einwechselspieler funktionieren kann.
Eine neue Stürmerhoffnung
So bleibt die wohl größte Baustelle des DFB übrig – die Position des Stürmers. Niklas Füllkrug war 2022 einer der wenigen Lichtblicke bei der Weltmeisterschaft in Katar. Beim BVB setzt er Akzente und kann Körperlichkeit in das Spiel der Deutschen bringen. Alternativen für ihn wären der formstarke Maximilian Beier von der TSG Hoffenheim, das „Radio“ Müller, Kai Havertz und Deniz Undav. Undav, der mit 14 Toren auf dem fünften Platz der Bundesliga Torschützenliste steht, spielt seine bisher stärkste Saison und beweist beim VFB seine Kaltschnäuzigkeit. Beier und Havertz bringen technische Fertigkeiten mit, aber sind einfach nicht die klassischen wuchtigen Neuner. Müller ist aufgrund seines fortgeschrittenen Alters zwar nicht mehr der athletischste Spieler Deutschlands, aber kann mit seiner Erfahrung und seinem Instinkt immer für Torgefahr sorgen. Bei der Frage nach dem Stürmer muss Nagelsmann für sich entscheiden ob er die Kreativität der Mittelfeldspieler weiterführen möchte oder ob er versucht die kreative Ader im Mittelfeld mit einem klassischen Strafraumstürmer zu komplettieren.
Leonard Zurhausen